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Samstag, 13. Juli 2013

Keine Angst vor Freundlichkeit!

Wer sich mit dem Gedanken trägt, ein Pferd oder einen Hund aufzunehmen, der wird sich wahrscheinlich auch dafür interessieren, wie es sich am besten mit dem Neuzugang leben lässt. Kein Problem, Literatur gibt es zuhauf! Über Verhalten, Psychologie und Erziehung. Also, los gehts...
Schnell erfahren wir, dass es bestimmte Dinge gibt, die der Hund, oder das Pferd tut, um uns zu dominieren! Indem sie uns zu nah kommen, auf das Sofa springen, oder – und nun halten Sie sich fest – indem wir sie mit Futter belohnen versuchen sie, die Herrschaft zu übernehmen! Sehen Sie sich also vor!

Auch wenn ich etwas übertreibe, viele Menschen beurteilen die Tier-Halter-Beziehung eben nach solchen Allgemeinplätzen. Das geht so weit, dass mir eine Tierärztin (!) bescheinigte, meine Hündin „dominiere mich“ (O-Ton), weil sie sich nicht auf ihre wegrutschende Waage traute.

Nun gut, der Beispiele gibt es viele, sie alle aufzuzählen wäre kaum sinnvoll, aber ich hoffe, der Grundgedanke ist klar.
Vor allem im Pferdebereich geistern viele Mythen von respektlosen, dominanten Pferden, die uns Menschen die Vormachtstellung streitig machen wollen.
Damit man mich nicht falsch versteht: Ein rempelndes unhöfliches Pferd kann gefährlich werden, vor allem in der therapeutischen Arbeit. Dass ich meinen Pferden einen höflichen Umgang beibringen möchte, steht außer Frage. Aber die Maßgabe dafür sollten nicht irgenwelche Standarts aus einem der vielen Bücher sein, sondern sich an meinem persönlichen Empfinden orientieren. Zur Veranschaulichung nun doch noch ein kleines Beispiel: Eine meiner Reitschülerinne putzte ihr Pferd, das seinen Kopf herumnahm und sie anstupste. Sie streichelte ihn und sagte: „ Oh, das hätte er jetzt nicht tun dürfen, oder?“ Auf meine Frage, ob es sie denn störe, sagte sie, nein, sie fände es sogar ganz nett, aber das sei doch respektlos...

Für mich stellt sich die Frage, wie ich denn eine gute und tiefe Beziehung zu meinen Pferden aufbauen soll, wenn ich sie mir in erster Linie vom Leib halten muss, um nicht hoffnungslos im niedrigen Rang zu landen. Gerne wird dann zitiert, dass in der Herde das rangniedrige Pferd niemals (!!) den Individualabstand des ranghöheren unterschreiten würde. Käse!

Erstens tun sie das durchaus, wenn sie sich kennen und mögen und zweitens bin ich nun mal auch kein Pferd. Ich unterstelle mal, dass meine Pferde das durchaus merken. Heißt für mich, das Pferd bedränge mich bitte nicht, denn das empfinde ich als unangenehm. Die Grenze dabei ist aber am jeweiligen Empfinden ausgerichtet. Und je besser ich ein Pferd kenne und je näher wir uns stehen, desto flexibler wird dieser Bereich.

Meine Stute beispielsweise, die es hasst, vom Mücken gepiesackt zu werden, beginnt bei Spaziergängen irgendwann damit, sich an mir scheuern zu wollen. Denn ES JUCKT GANZ FÜRCHTERLICH! Zu Beginn tat sie das recht verzweifelt und dementsprechend rabiat. So ein dominantes Tier! Durchbricht einfach meine Individualdistanz. Ts, ts, gleich mal weichen lassen... Oder, halt, ich bin es ja, die sie in eine Situation bringt, die für sie schwer zu ertragen ist. Als Führende ist es dann auch meine Aufgabe, für ihr Wohlergehen zu sorgen, finde ich zumindest. Also haben wir uns darauf geeinigt, dass man mich nicht halb zu Boden werfen muss um den Kopf zu kratzen, sondern dass ein einigermaßen beherrschtes Bitten reicht und ich verstehe, was sie will. Ich kratze dann im Gehen und ihr Kopf bleibt ganz ruhig in bequemer Kratzhöhe.

Was ich damit sagen will, ist dass es zu den wichtigsten Fähigkeiten eines Führenden – und als den sehen wir Menschen uns im Umgang mit Tieren – gehört, hinzuhören und zwar in uns selbst und in das Tier. Stört uns ein Verhalten wirklich, oder finden wir es eigentlich ganz nett und versuchen nur es abzustellen, weil uns jemand mal gesagt hat, es sei dominant? Im zweiten Fall kann man sich mit nur wenig Fantasie vorstellen, wie authentisch wir bei der Durchsetzung sein werden J
Der Maßstab sollte immer unser eigenes Gefühl sein. Kann ich mein gieriges Pferd mit leichten Gesten dazu bewegen, mir bitte nicht in die Tasche zu kriechen? Dann ist alles ok, denn wer würde nicht versuchen an die Köstlichkeiten heranzukommen, von denen er weiß, dass sie da sind. Ich sage nur Schokolade... Muss ich mich allerdings mit aller Macht gegen das Pferd werfen, oder wird es aggressiv, wenn es nichts mehr bekommt, spätestens dann ist der Zeitpunkt gekommen, an unseren Umgangsformen zu arbeiten.

Wenn wir aufmerksam für unser eigenes Empfinden und für die Schwingungen unserer Beziehung sind, dann können wir ein authentisches Maß an Konsequenz entwickeln und brauchen keine Angst vor Freundlichkeit und Vertraulichkeit zu haben.

Freitag, 5. April 2013

Neulich in der Therapie


 ... von Provokation und Konsequenzen

Wer hat es nicht schon am eigenen Leib erfahren – provozierende Kinder.
Jeder Therapeut begegnet mindestens zehn davon in der Woche, warum also dieser Blog? Weil mir neulich mal wieder klar wurde, wie wichtig es gerade in der Therapie am Pferd ist, sich über Grenzen und vor allem Konsequenzen klar zu sein.
Dass Kinder mich als Therapeutin, die durchaus auch unpopuläre Forderungen stellt, durch Provokation ablenken wollen, ist kein Problem, sondern vielmehr verständlich und nachvollziehbar. Und vor allem ist es ungefährlich. Ich fange weder an zu beißen, noch zu treten, noch trampele ich jemanden nieder. Ich kann mich meistens auch ganz gut wehren und verstehe durchaus die Mechanismen, die hinter diesem Verhalten stehen.

Anders sieht die ganze Sache aus, wenn Kinder auf die lustige Idee kommen, mich über das Pferd oder auch gern mal meinen Hund provozieren zu wollen.  
Zwei verschiedene Ereignisse möchte ich kurz beschreiben.

Wir putzen meine Stute, die an diesem Tag äußerst kitzelig unter dem Bauch war und mit angelegten Ohren und bösen Blicken reagierte. Ich erklärte dem Kind, dass sie heute wohl etwas schlechte Laune hatte, und gab die Anweisung, sie unterm Bauch nicht zu putzen. Dummerweise hatte das Kind wohl auch schlechte Laune und ich bemerkte, wie sie immer wieder Richtung Bauch fuhr und mich dabei beobachtete. Pferd fands blöd und immer blöder und  ich sah mich gezwungen, zu handeln. Ich beendete das Putzen, beziehungsweise übernahm die Bürste und machte selbst mit der Aufgabe des Kindes weiter. Eine Reaktion, die mich nicht wahnsinnig zufrieden stellte, aber mein erstes Ziel in diesem Falle war der Schutz des Pferdes. Ich erwarte von ihr, freundlich zu den Kindern zu sein und vorsichtig mit ihnen umzugehen. Ich weiß, dass es Tage gibt, an denen sie empfindlicher ist, als an anderen und nutze das für die Therapie, um Kindern  die Grenzen eines anderen Lebewesens aufzuzeigen. Das ist für mich eine recht kitzelige Situation, denn ich muss aufpassen wie ein Luchs. Ich finde dieses Thema aber sehr wertvoll, deshalb setze ich sie auch an solchen Tagen ein. Dann muss ich aber bereit sein, mein Pferd zu schützen und sie nicht auflaufen lassen, indem ich zulasse, dass das Kind sie ärgert und die Situation dahingehen eskaliert, dass sie gemaßregelt werden muss für ein Verhalten, das durch einen Dritten bewußt provoziert wurde.
Auch auf dem Pferd fangen manche Kinder gerne mal an, ihre Grenzen zu testen. Da wird sich dann umgedreht, vorher hat es ja auch so gut geklappt, oder die Hilfe zum antreten gegeben und so weiter. Hier muss jeder Therapeut am besten im Vorhinein überlegen, wie er wann reagiert. Was ist ein Abbruchkriterium?  Wo kann ich das Kind auch mal eine eigene Erfahrung machen lassen? Rutscht es von einem Shetty, weil es unbedingt seitlich sitzen wollte, geht die Welt nicht unter. Rutscht es von einem 1,60 großen Pferd, sieht die Sache schon ganz anders aus.
Das Schöne an der Arbeit mit Tieren ist, dass die Konsequenz für das eigene Handeln sofort und völlig akzeptabel für die meisten Kinder kommt, nur können wir das natürlich nicht immer zulassen, denn es wird schnell gefährlich. Eine Situation, in der es ungefährlich war und eine wie aus dem Lehrbuch, ist folgende:

Ein Kind erarbeitet sich in der Stunde Punkte und bekommt dann am Ende, so es denn genügend gesammelt hat, eine Möhre. Diese Möhre hat einen hohen Stellenwert, vor allem, weil der Bruder, der nur zuschaut, keine bekommt. So. Das Kind nun hatte einen Spaß daran gefunden, meinen Hund mit der Möhre zum Hochspringen zu animieren, was mir nicht gefiel und ich sagte das auch. Mehrere Male, aber es kam doch immer wieder vor. Mit Seitenblick auf mich versteht sich. Nun frißt der Hund auch Möhren... Man ahnt es schon. Ich unterhalte mich mit der Mutter und plötzlich ein Riesenschrei, ich bekomme einen Riesenschreck, ein Bild von fehlenden Kinderohren vor Augen, flitze hin und sehe meinen unschuldig guckenden, kauenden Hund. Nicht am Ohr, sondern an der Möhre.
Ach Gott, dachte ich, das wird das Drama des Tages, die wertvolle Möhre geklaut. Allerdings hatte ich dem Kind ja schon gesagt, dass Malou Möhren mag, und sie sich, wenn sie danach springen soll, bestimmt irgendwann schnappen würde. Erstaunlicherweise konnte das Kind das so akzeptieren. Es weinte zwar und war kreuzunglücklich, aber durch die vollkommene Klarheit der Situation und die absolut natürliche Konsequenz, war es ihr möglich, den Verlust hinzunehmen. In diesem Fall war die Erziehung durch das Tier äußerst erfolgreich. Seitdem wurde nicht mehr gesprungen...

Kinder testen ihre Grenzen. Das ist ganz normal und völlig in Ordnung. Es liegt an uns als Therapeuten, sicher einzuschätzen, wann sie dabei die Grenzen unserer Tiere überschreiten und spätestens dann abzubrechen. Das kommt nicht oft vor, aber trotzdem sollte man sich überlegen, wie man dann mit der Situation umgeht.
Es ist ziemlich sinnvoll, das mit den Eltern im Vorfeld zu besprechen, denn die meisten reagieren wahrscheinlich irritiert, wenn die Einheiten ohne Tier weitergehen. Manchmal ist es aber nötig, um für die weitere Arbeit sichere Rahmenbedingungen zu schaffen. Eine Aufklärung der Eltern über eventuelle Änderungen im Ablauf und deren Verständnis dafür nehmen uns den Druck, in jedem Fall pferdegestützt zu arbeiten zu müssen. 


Donnerstag, 28. März 2013

Ausrüstung - Der Sattel


Die Überschrift ist etwas irreführend, denn ich möchte hier die Lanze für den Einsatz eines Pads mit Voltigiergurt brechen. Ich verwende diese Kombination sowohl in der Therapie, als auch im Unterricht. Sie hat im Vergleich zu einem Sattel in der Arbeit mit Kindern einige Vorteile.
Der erste ist ganz klar die Sicherheit. Der Voltigiergurt biete große Bügel zum Festhalten, was bei ungeübten Reitern der erste Reflex bei Unsicherheit ist. Im Gegensatz zu Vorderzwiesel oder Zügeln (!) kann man sich an den Bügeln wirklich halten und ein Abrutschen verhindern.

Der Voltigiergurt sollte unbedingt einen Stahlkern (!) haben, da die Kissen sonst extrem auf die Wirbelsäule drücken und gut gepolstert sein. Bitte darauf wirklich achten, schnell hat man sonst ein Pferd mit Sattelzwang!
Außerdem ermöglicht ein großes Pad es den Kindern, einen losgelasenen Sitz zu entwickeln und einen engen Kontakt zum Pferderücken zu spüren, was dazu führt, dass sie den Moment des richtigen Treibens viel besser erspüren können. Den meisten gelingt das verblüffend schnell.
Das Fehlen von Steigbügeln ist in dieser Phase eher ein Bonus als ein Manko, denn wer damit beschäftigt ist, nach Bügeln zu angeln, gibt automatisch den ausbalancierten Sitz auf und rutscht auf die Oberschenkel.

Im therapeutischen Kontext ermöglicht das Reiten mit Pad eine größere Bewegungsfreiheit, die Kinder können sich auf das Pferd legen, rückwärts reiten, zu zweit Übungen durchführen, und so weiter.

Als Zwischenlösung für kleine Kinder, die auf großen Pferden reiten, und die zum Beispiel anfangen, das Leichttraben zu lernen, hat sich der Lammfellsattel bewährt.
Steigbügel können angebracht werden, aber die Kinder sitzen nicht auf einem Sattel, der für viel größere Hinterteile gemacht wurde. Der enge Kontakt zum Pferd bleibt erhalten.

Allerdings ist zu beachten, dass das Gewicht des Reiters durchaus eine Rolle spielt. Große oder schwere Reitanfänger sollten mit Rücksicht auf den Pferderücken - dessen Gesundheit aller therapeutischer Überlegung voranzustellen ist - mit Sattel reiten. 

Montag, 25. März 2013

Gedanken zur Einstellung


Seltsamer Titel? Vielleicht. Wahrscheinlich wird jeder, der seine Zeit mit Pferden verbringt, das freiwillig tun, und zwar, weil er sich zu ihnen hingezogen fühlt, also eine positive Einstellung zu Pferden hat. Seltsamer Titel!

Neulich in der Reitstunde...

Eins meiner Mädels, die Pferde sehr gerne mag, und auch schon recht gut mit ihnen umzugehen versteht, führte nach der Stunde ihr Pferd aus der Halle und weil es etwas geschwitzt hatte, legte ich eine Decke auf. Daraufhin die Kleine:  " Wird sie nochmal benutzt?" Ich etwas verwirrt " Was meinst Du, die Decke? Die benutzen wir nur für Joy, das ist ihre Decke".  "Nein, wird Joy nochmal benutzt?"
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich finde den Gedanken, dass wir Pferde "benutzen" nicht sehr ansprechend. Bitte denken Sie kurz darüber nach, wie es Ihnen geht, wenn Sie sich "benutzt" fühlen. Ich unterstelle, nicht sehr gut.
Diese spontane Formulierung eines pferdeliebenden Mädchens halte ich für wert, ein paar Gedanken anzustoßen. Interessanterweise kam das Thema in der gleichen Woche nochmal auf, wie das ja immer so ist, mit Dingen, denen wir Aufmerksamkeit schenken.
Ich hatte mit einem Therapiekind eine Stunde als Führtaining, statt wie sonst Reiten aufgebaut. Am Ende der sehr gelungenen Stunde, während der das Mädchen eine deutlich größere Anforderung in puncto Planung und Konzentration bewältigt hatte, als durch das bisherige Reiten ( meine Stute übrigens auch...) fragte mich die Mutter, ob ich denn den Betrag, den ich für den Einsatz des Pferdes berechne, heute dann auch haben wolle. Ihre Tochter sei ja nicht geritten...

Ist also das Gerittenwerden, das "Benutztwerden" der einzige und wahre Zweck eines Pferdes? Wenn ich nicht reite, bezahle ich nicht dafür?

Das Pferd hat eine etwas seltsame Rolle in der Welt der domestizierten Tiere. Es ist kein Haustier, wie Hund oder Katze, die für viele von uns eher Familienmitglieder als "nur" Tiere sind. Pferde hingegen begleiten nicht unseren Alltag, sondern stehen im Stall oder im besseren Fall auf der Koppel und "warten" bis wir uns mit ihnen beschäftigen.
Sie sind aber auch ganz klar keine Nutztiere, wie zum Beispiel Kühe oder Schweine, und jeder Pferdefreund würde wahrscheinlich eher pikiert reagieren, böte man ihm Pferd zum Abendessen. Was aber sind sie denn nun?
Die Ideen, die man so im Stall antrifft sind vielfältig. Von der oben erwähnten "Reitbenutzung" bis zum " Ach, die brauchen uns doch gar nicht, ich glaube, wenn wir nix mit ihnen machen, sind sie auch nicht unglücklich". Stimmt wahrscheinlich, aber was das über meine Arbeitseinstellung aussagt, erklärt sich wohl von selbst. Wie soll denn das Pferd merken, dass ich gerne mit ihm arbeite, wenn ich im Grunde unterstelle, dass es doch lieber woanders wäre? Diese Haltung schadet dem Pferd bestimmt nicht unmittelbar, ich finde es allerdings schade, ihm von vornherein die Möglichkeit zu nehmen, freudig mitzuarbeiten.
Ich möchte hier nicht einfach meine Einstellung zum besten geben, sondern dazu ermuntern, sich zu überlegen, ob das Pferd nicht mehr verdient hat, als nur Reittier oder uninteressierter Zwangsarbeiter zu sein und nicht vielleicht stattdessen zu einem Freund werden kann, dem wir zugestehen, dass er Launen und Stimmungen hat und der durchaus die Zeit mit uns genießen kann. Das schließt natürlich ein, dass wir die Arbeit abwechslungsreich und spannend gestalten und die Bedürfnisse unserer Pferde beachten. Und vor allem, ihnen zu ermöglichen, ihre Persönlichkeit auszubilden und zu zeigen. Meiner Meinung nach ist da nicht sehr viel Unterschied zum Umgang mit anderen Menschen. Echtes Interesse wird gespürt und führt zu Nähe.
Im Falle eines Pferdes stehen wir allerdings noch vor der Schwierigkeit, dass es zunächst eine, vor allem im Gegensatz zum Hund, reduzierte Mimik zeigt. Besonders Freude und Spass sind nicht so leicht zu erkennen. Viel schneller hingegen das Unmutsgesicht mit angelegten Ohren. Hier bedarf es eines großen Einfühlungsvermögens, um die differenzierte Mimik der Pferde zu erkennen, richtig zu deuten und so ihre vielfältigen Charaktere würdigen zu können.

Das ist ein Prozess, der durchaus auch Konfrontation und Frustration beeinhaltet, der aber dem Pferd eine eigene Rolle ermöglicht, die über oben genannte hinausgeht, und jedes Einzelne in seiner Individualität zeigt.  
Und wenn ich sehe, wie meine Mädels nach der Arbeit am Zaun stehen bleiben, oder zu mir kommen (meistens zumindest :)...) wenn ich auf die Koppel komme, dann kann ich hier nur eine Lanze brechen für mehr Offenheit und echtem Interesse im Umgang mit diesen großartigen Tieren.

Dienstag, 19. März 2013

Ein wirklich kurzes Wort zum Thema Instinkte...

Neulich bei der Freiarbeit....






Zur Erläuterung: Die graue Stute kennt die Plane in und auswendig, geht darüber, drunter und bearbeitet sie mit den Hufen und was man sonst noch so damit anstellen kann. Der clevere Plan war, der anderen Stute in Gesellschaft eines „alten Hasen“ die Plane schmackhaft zu machen. Schlau gedacht, schlecht gemacht. Die Damen Pferde drehten den Spieß um, und mein alter Hase war noch schneller weg als der Neuling... :)
Zu ihrer und meiner Ehrenrettung muss man sagen, dass der Paddock seit Wochen zur größten Huckelpiste Brandenburgs gefroren war und sie nur äußerst vorsichtig herumeiern konnten. Da kam ein kleiner Schreck wohl ganz gelegen...
Aber, auch wenn ich echt lachen musste über die davonrasenden und schnurstracks zurückkehrenden Damen, hat mir diese kleine Einheit doch eindrücklich in Erinnerung gerufen, dass das Pferd als Flucht-und Herdentier in Schrecksituationen sehr schnell unkontrolliert regieren kann und sich im Zweifel doch auch mal am flüchtenden Kollegen orientiert und dann erst den Kopf anschaltet. Und das trotz intensiven Schrecktrainings... Mann!

Sonntag, 17. März 2013

Verfallsdatum erreicht?

Nein, es geht nicht um Joghurt, sondern um eine Äußerung, die mir vor kurzem begegnete:

„Nach zwei Jahren müsse man in der Therapie die Pferde ja austauschen, dann würden sie aggressiv. Das sei ja bekannt. "

Das wirklich Erschreckende an dieser Aussage war die Überzeugung, dass es sich tatsächlich so verhält. Ähnlich wie Bremsbeläge, die verschleißen auch und müssen regelmäßig gewechselt werden. Klar, oder?

Ich denke, deutlicher kann man eigentlich nicht machen, dass man Pferde als Gebrauchsgegenstände betrachtet. Es ist  nicht meine Aufgabe, Menschen allgemein davon zu überzeugen, dass es sich lohnt, sich für die Persönlichkeit jedes einzelnen Pferdes zu öffnen, aber ich möchte ganz klar festestellen:
Diese Einstellung hat in der Therapie nichts verloren!
Therapeut, Therapietier und Patient bilden ein System, innerhalb dessen sich jeder gegenseitig beeinflusst. Ziel ist ein wie auch immer geartetes Wachsen und Gesunden. Wie soll das funktionieren, wenn ein Teil des Systems permanent so überfordert wird, dass es sich irgendwann nur noch durch Aggression zu helfen weiß?

Wir bauen in der Tiergestütztes Therapie auf die fast schon magische Wirkung von Tieren auf unser emotionales Gleichgewicht. Ein Tier, das dermaßen unter seiner Arbeit leidet, dass es nach zwei Jahren „ersetzt“ werden muss, kann diesen Anspruch keinesfalls erfüllen.

Die Rolle des Therapeuten als Verantwortlichen für das Wohlergehen seines Pferdes wurde an anderer Stelle mehrfach erwähnt. Therapeut und Pferd sollten eine Einheit bilden, die in ihrer Gesamtheit zur Bereicherung des Therapiesettings führt. Ein Therapeut, der nicht in der Lage ist, das Unbehagen seines Pferdes zu erkennen, oder schlimmer noch, es ignoriert, handelt nicht nur äußerst fragwürdig, was sein Selbstverständnis als Therapeut angeht, sondern auch die Gewährleistung der Sicherheit betreffend. Wann kommt denn der Punkt, an dem ein Pferd sich zum ersten Mal aggressiv verhält? Bahnt er sich an? Oder ist er nach zwei Jahren automatisch gekommen, wie die oben erwähnte Dame es so schön ausdrückte? Verfallsdatum abgelaufen...

Noch einmal: Seriöse Tiergestützte Therapie fußt auf dem Tier als Stütze, wie der Name schon sagt. Es muss im Interesse eines jeden Therapeuten liegen, diese Stütze so stark wie nur möglich zu machen und zu halten, sonst bricht sein ganzes Konzept zusammen.
Wir müssen uns klar machen, dass wir wirklich viel von unseren Pferden verlangen, wenn wir intensiv mit ihnen arbeiten. Nicht jedes ist dafür geeignet und jedes hat seine eigene Belastungsgrenze. Sie brauchen einen Ausgleich und Motivation.
Es ist unsere Aufgabe durch sensible und durchdachte individuell gestaltete Arbeit das Pferd in seiner Persönlichkeit so zu stärken, dass es seinen anspruchsvollen Job auch bewältigen kann. Oder, wenn klar zu erkennen ist, dass ein Pferd eben nicht geeignet dafür ist, eine andere Aufgabe für es zu finden, statt so lange weiterzumachen, bis gar nichts mehr geht, und das Pferd aggressiv werden muss. Das hat mit guter Tiergestützter Therapie nichts mehr zu tun.

Donnerstag, 14. März 2013

Ausrüstung - Kappzaum

Diese Artikelserie ist der Ausrüstung der Pferde gewidmet. Aus der fast unüberschaubaren Vielzahl von Produkten das passende auszuwählen, ist nicht immer leicht und ziemlich schnell sammelt sich ein eigener kleiner Reitsportausstatter im Keller an. So geht es jedenfalls mir. Ich verfüge mittlerweile über viermal so viel Gebisse wie Pferde : )
Wer möchte, kann sich hier meine Erfahrungen mit einzelnen Produkten durchlesen, meine Favoriten kennenlernen und vielleicht so einige Ausrüstungsleichen vermeiden... Viel Spaß!

  

1. Der Kappzaum



Der Kappzaum ist für meine Arbeit mittlerweile unentbehrlich geworden. Aus der Fülle von Modellen haben sich meiner Ansicht nach diese zwei als besonders sinnvoll erwiesen.

Zum  gymnastizierenden Longieren verwende ich einen Kappzaum mit deutlich gepolstertem Naseneisen. Nach diversen Versuchen mit verschiedenen Modellen empfand ich meine Einwirkung damit am präzisenten und meine Pferde reagieren sehr schön darauf.
Besonders wer in der feinen Hilfengebung beim Longieren noch nicht sehr geübt ist, sollte ein weich gepolstertes Modell wählen, auch wenn es klobiger und schwerer erscheint als spanische oder französische Modelle.

Für die Arbeit mit Patienten benutze ich einen Kappzaum, der einen schlichten Ledernasenriemen ohne Eisen oder Kette hat. Zum Longieren oder für die Handarbeit ist mir die Einwirkung zu schwammig, aber für die Therapie ist er gerade richtig. Ich ziehe einen weichen Kappzaum dem Halfter jederzeit vor. Erstens sitzt er sicherer, und ich kann flexibler zwischen nahem Führen und Longieren oder Führen auf Entfernung wechseln, ohne dass er verrutscht. Zweitens kann ich Zügel einschnallen, wenn ein Kind soweit ist, kurze Strecken frei zu reiten. Die Wirkung auf die Nase ist so mild, dass ich bestimmten Kindern diesen Zugewinn an Selbstständigkeit zugestehen kann, ohne um das Maul meines Pferdes zu fürchten, wie es bei einem Gebiss der Fall wäre.

Wichtig beim Kappzaum ist die korrekte Verschnallung. Da er recht fest verschnallt wird, muss er an der richtigen Stelle sitzen. Dazu sollte der Nasenriemen ca 2 cm unter dem Jochbein liegen.  Wenn er tiefer verschnallt ist, drückt er auf die Nasentrompete und behindert die Atmung. Zu hoch drückt er auf das Jochbein.