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Sonntag, 17. März 2013

Verfallsdatum erreicht?

Nein, es geht nicht um Joghurt, sondern um eine Äußerung, die mir vor kurzem begegnete:

„Nach zwei Jahren müsse man in der Therapie die Pferde ja austauschen, dann würden sie aggressiv. Das sei ja bekannt. "

Das wirklich Erschreckende an dieser Aussage war die Überzeugung, dass es sich tatsächlich so verhält. Ähnlich wie Bremsbeläge, die verschleißen auch und müssen regelmäßig gewechselt werden. Klar, oder?

Ich denke, deutlicher kann man eigentlich nicht machen, dass man Pferde als Gebrauchsgegenstände betrachtet. Es ist  nicht meine Aufgabe, Menschen allgemein davon zu überzeugen, dass es sich lohnt, sich für die Persönlichkeit jedes einzelnen Pferdes zu öffnen, aber ich möchte ganz klar festestellen:
Diese Einstellung hat in der Therapie nichts verloren!
Therapeut, Therapietier und Patient bilden ein System, innerhalb dessen sich jeder gegenseitig beeinflusst. Ziel ist ein wie auch immer geartetes Wachsen und Gesunden. Wie soll das funktionieren, wenn ein Teil des Systems permanent so überfordert wird, dass es sich irgendwann nur noch durch Aggression zu helfen weiß?

Wir bauen in der Tiergestütztes Therapie auf die fast schon magische Wirkung von Tieren auf unser emotionales Gleichgewicht. Ein Tier, das dermaßen unter seiner Arbeit leidet, dass es nach zwei Jahren „ersetzt“ werden muss, kann diesen Anspruch keinesfalls erfüllen.

Die Rolle des Therapeuten als Verantwortlichen für das Wohlergehen seines Pferdes wurde an anderer Stelle mehrfach erwähnt. Therapeut und Pferd sollten eine Einheit bilden, die in ihrer Gesamtheit zur Bereicherung des Therapiesettings führt. Ein Therapeut, der nicht in der Lage ist, das Unbehagen seines Pferdes zu erkennen, oder schlimmer noch, es ignoriert, handelt nicht nur äußerst fragwürdig, was sein Selbstverständnis als Therapeut angeht, sondern auch die Gewährleistung der Sicherheit betreffend. Wann kommt denn der Punkt, an dem ein Pferd sich zum ersten Mal aggressiv verhält? Bahnt er sich an? Oder ist er nach zwei Jahren automatisch gekommen, wie die oben erwähnte Dame es so schön ausdrückte? Verfallsdatum abgelaufen...

Noch einmal: Seriöse Tiergestützte Therapie fußt auf dem Tier als Stütze, wie der Name schon sagt. Es muss im Interesse eines jeden Therapeuten liegen, diese Stütze so stark wie nur möglich zu machen und zu halten, sonst bricht sein ganzes Konzept zusammen.
Wir müssen uns klar machen, dass wir wirklich viel von unseren Pferden verlangen, wenn wir intensiv mit ihnen arbeiten. Nicht jedes ist dafür geeignet und jedes hat seine eigene Belastungsgrenze. Sie brauchen einen Ausgleich und Motivation.
Es ist unsere Aufgabe durch sensible und durchdachte individuell gestaltete Arbeit das Pferd in seiner Persönlichkeit so zu stärken, dass es seinen anspruchsvollen Job auch bewältigen kann. Oder, wenn klar zu erkennen ist, dass ein Pferd eben nicht geeignet dafür ist, eine andere Aufgabe für es zu finden, statt so lange weiterzumachen, bis gar nichts mehr geht, und das Pferd aggressiv werden muss. Das hat mit guter Tiergestützter Therapie nichts mehr zu tun.

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