Das
Schrecktraining ist ein essentieller Punkt in der Therapiepferdeausbildung.
Jeder, der schon mal auf einem Pferd saß, das fest davon überzeugt war, der am
Wegesrand aufgehäufte Holzstapel werde es anfallen, sobald es sich ihm nähert,
wird verstehen, warum.
Im
Schrecktraining geht es darum, dem Pferd die Angst vor unbekannten Gegenständen
zu nehmen. Wir konfrontieren es mit Planen, Klappersäcken, Bällen, die über
seinen Rücken fliegen und ähnlich gruseligen Dingen. Natürlich ist ein Ziel, es
an all diese Gegenstände zu gewöhnen um erstens dieses Material in der Therapie
einsetzen zu können, zweitens aber auch, um zu verhindern, dass es über den Hof
schießt, weil ein Regentag ist und die Kinder mit Schirm und flatternder
Regenkleidung kommen.
Durchdachtes
Schrecktraining kann aber noch viel mehr.
Wenn wir es richtig anstellen, trägt es stark zur Beziehungsbildung
zwischen Therapeut und Pferd bei und es stärkt das Pferd insgesamt in seiner
Persönlichkeit. Je öfter es gelernt hat, dass es Situationen, in denen sein
erster Impuls Flucht gewesen wäre, durchaus auch dann überlebt, wenn es sich
das Objekt erst mal anschaut, desto entspannter und neugieriger kann es seiner
Umwelt begegnen. Und Neugierde ist etwas, das wir uns für die Therapie
wünschen! Ein neugieriges Pferd hat Interesse an der Arbeit und wendet sich uns
zu, meistens entsteht daraus Freude an der Arbeit.
Außerdem wird es
mit der Zeit feststellen, dass sein Mensch es zwar fordert, aber nur in dem
Maße, in dem es diese Forderungen auch erfüllen kann. Bewältigte Anforderungen
stärken das Selbstbewusstsein, das ist bei Pferde nicht anders als bei uns
Menschen.
Um das zu
erreichen, müssen wir den Aufbau gut durchdenken und an das jeweilige Pferd
anpassen. Gelungenes Schrecktraining hat nichts damit zu tun, das Pferd mitsamt
dem beänstigenden Ding in die Halle zu sperren und mal zu gucken, was
passiert...
Ich arbeite mit
neuen Gegenständen am liebsten frei, das heißt, das Pferd trägt kein Halfter
und kann sich erst mal so positionieren, wie es ihm am liebsten ist. Die ersten
Stunden sollten von der Herausforderung so gewählt sein, dass das Pferd sich
schnell von selbst nähert, also nicht gleich platzende Luftballons und
flatternde Planen. Sobald es Kontakt zu unserem Übungsobjekt sucht, wird es
gelobt. Schon einen Blick hin zum Objekt werte ich als erstes Interesse und
lobe ihn. Bei einem ängstlichen Pferd wäre mir ein Blickkontakt in der ersten
Stunde völlig ausreichend. Wichtig ist aber, dass das Pferd nicht einfach in
einer entfernten Ecke der Halle steht und sich weigert, Notitz von dem
Gegenstand zu nehmen. Dann ist er zu gruselig und unser Ziel, die Neugierde
wachsen zu lassen, verfehlt.
In dem Moment,
indem das Pferd allerdings merkt, dass ein Hinwenden und Untersuchen
erschreckender Dinge belohnt wird, wird es von Mal zu Mal mutiger werden.
Der Vorteil eines
freien Schrecktrainings liegt darin, dass das Pferd sich aus eigenem Antrieb
nähert und ich als Bezugsperson entspannt in der Nähe stehe. Habe ich das Pferd
am Strick ist meistens die Anspannung bei mir höher, denn ich rechne mit einem
Sprung, oder ich gehe zögerlich, weil das Pferd vielleicht stehen bleibt und
vorsichtig wird. Ist das Pferd frei, kann ich mich locker um das Objekt
herumbewegen, ich kann einfach nur stehenbleiben, oder ihn meinerseits
interessiert untersuchen um die Neugierde meines Pferdes zu wecken. In dem
Moment, indem das Pferd sich aus freiem Willen dafür entscheidet, unsere
Gegenstände anzusehen, zu beschnuppern oder mit Maul und Hufen zu bearbeiten,
hat es aktiv seine Angst überwunden und ist uns nicht nur gehorsam gefolgt. Es
lernt mit der Zeit immer mehr, dass Situationen, die wir ihm anbieten, nicht
gefährlich sind und erst mal anschauen sich lohnt. Das hat für sein
Selbstbewusstsein und die weitere Arbeit enorme Folgen. Meine Pferde sind
mittlerweile so weit, dass sie, sobald ich in der Kiste mit Material krame, mir
gespannt über die Schulter gucken, in Erwartung neuer Spielereien.
Das Hauptziel des
Schrecktrainings liegt für mich im Aufbau einer neuen Verknüpfung, nämlich von
"Unbekanntes-Flucht" zu "Unbekanntes-Belohnung" zu
gelangen.
Auf die Therapie
bezogen, sei nochmal deutlich erwähnt, wie wichtig auch bei einem mutigen, entspannten Pferd die Konfrontation mit dem
Material ist. Selbstverständlich ist es nicht möglich, alle Eventualitäten
trocken durchzuspielen, doch zumindest sämtliche in der Therapie eingesetzten
Gegenstände sollten die Pferde kennen. Ich werde nie vergessen, wie meine Stute, die
sehr wenig aus der Ruhe bringt, und die, wenn sie ein fehlgegangener Ball am
Kopf trifft, kurz die Ohren schüttelt und dann ihr Leckerli verlangt, mich sehr
überraschte, indem sie sich von Seifenblasen ziemlich aus der Fassung bringen
ließ.
Seien Sie
fantasievoll in der Wahl des Materials und nutzen Sie die Chance,
die
Schrecktraining für Ihre Arbeit und die Beziehung zu Ihrem Pferd bietet! Viel
Spaß beim Ausprobieren...
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