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Freitag, 5. April 2013

Neulich in der Therapie


 ... von Provokation und Konsequenzen

Wer hat es nicht schon am eigenen Leib erfahren – provozierende Kinder.
Jeder Therapeut begegnet mindestens zehn davon in der Woche, warum also dieser Blog? Weil mir neulich mal wieder klar wurde, wie wichtig es gerade in der Therapie am Pferd ist, sich über Grenzen und vor allem Konsequenzen klar zu sein.
Dass Kinder mich als Therapeutin, die durchaus auch unpopuläre Forderungen stellt, durch Provokation ablenken wollen, ist kein Problem, sondern vielmehr verständlich und nachvollziehbar. Und vor allem ist es ungefährlich. Ich fange weder an zu beißen, noch zu treten, noch trampele ich jemanden nieder. Ich kann mich meistens auch ganz gut wehren und verstehe durchaus die Mechanismen, die hinter diesem Verhalten stehen.

Anders sieht die ganze Sache aus, wenn Kinder auf die lustige Idee kommen, mich über das Pferd oder auch gern mal meinen Hund provozieren zu wollen.  
Zwei verschiedene Ereignisse möchte ich kurz beschreiben.

Wir putzen meine Stute, die an diesem Tag äußerst kitzelig unter dem Bauch war und mit angelegten Ohren und bösen Blicken reagierte. Ich erklärte dem Kind, dass sie heute wohl etwas schlechte Laune hatte, und gab die Anweisung, sie unterm Bauch nicht zu putzen. Dummerweise hatte das Kind wohl auch schlechte Laune und ich bemerkte, wie sie immer wieder Richtung Bauch fuhr und mich dabei beobachtete. Pferd fands blöd und immer blöder und  ich sah mich gezwungen, zu handeln. Ich beendete das Putzen, beziehungsweise übernahm die Bürste und machte selbst mit der Aufgabe des Kindes weiter. Eine Reaktion, die mich nicht wahnsinnig zufrieden stellte, aber mein erstes Ziel in diesem Falle war der Schutz des Pferdes. Ich erwarte von ihr, freundlich zu den Kindern zu sein und vorsichtig mit ihnen umzugehen. Ich weiß, dass es Tage gibt, an denen sie empfindlicher ist, als an anderen und nutze das für die Therapie, um Kindern  die Grenzen eines anderen Lebewesens aufzuzeigen. Das ist für mich eine recht kitzelige Situation, denn ich muss aufpassen wie ein Luchs. Ich finde dieses Thema aber sehr wertvoll, deshalb setze ich sie auch an solchen Tagen ein. Dann muss ich aber bereit sein, mein Pferd zu schützen und sie nicht auflaufen lassen, indem ich zulasse, dass das Kind sie ärgert und die Situation dahingehen eskaliert, dass sie gemaßregelt werden muss für ein Verhalten, das durch einen Dritten bewußt provoziert wurde.
Auch auf dem Pferd fangen manche Kinder gerne mal an, ihre Grenzen zu testen. Da wird sich dann umgedreht, vorher hat es ja auch so gut geklappt, oder die Hilfe zum antreten gegeben und so weiter. Hier muss jeder Therapeut am besten im Vorhinein überlegen, wie er wann reagiert. Was ist ein Abbruchkriterium?  Wo kann ich das Kind auch mal eine eigene Erfahrung machen lassen? Rutscht es von einem Shetty, weil es unbedingt seitlich sitzen wollte, geht die Welt nicht unter. Rutscht es von einem 1,60 großen Pferd, sieht die Sache schon ganz anders aus.
Das Schöne an der Arbeit mit Tieren ist, dass die Konsequenz für das eigene Handeln sofort und völlig akzeptabel für die meisten Kinder kommt, nur können wir das natürlich nicht immer zulassen, denn es wird schnell gefährlich. Eine Situation, in der es ungefährlich war und eine wie aus dem Lehrbuch, ist folgende:

Ein Kind erarbeitet sich in der Stunde Punkte und bekommt dann am Ende, so es denn genügend gesammelt hat, eine Möhre. Diese Möhre hat einen hohen Stellenwert, vor allem, weil der Bruder, der nur zuschaut, keine bekommt. So. Das Kind nun hatte einen Spaß daran gefunden, meinen Hund mit der Möhre zum Hochspringen zu animieren, was mir nicht gefiel und ich sagte das auch. Mehrere Male, aber es kam doch immer wieder vor. Mit Seitenblick auf mich versteht sich. Nun frißt der Hund auch Möhren... Man ahnt es schon. Ich unterhalte mich mit der Mutter und plötzlich ein Riesenschrei, ich bekomme einen Riesenschreck, ein Bild von fehlenden Kinderohren vor Augen, flitze hin und sehe meinen unschuldig guckenden, kauenden Hund. Nicht am Ohr, sondern an der Möhre.
Ach Gott, dachte ich, das wird das Drama des Tages, die wertvolle Möhre geklaut. Allerdings hatte ich dem Kind ja schon gesagt, dass Malou Möhren mag, und sie sich, wenn sie danach springen soll, bestimmt irgendwann schnappen würde. Erstaunlicherweise konnte das Kind das so akzeptieren. Es weinte zwar und war kreuzunglücklich, aber durch die vollkommene Klarheit der Situation und die absolut natürliche Konsequenz, war es ihr möglich, den Verlust hinzunehmen. In diesem Fall war die Erziehung durch das Tier äußerst erfolgreich. Seitdem wurde nicht mehr gesprungen...

Kinder testen ihre Grenzen. Das ist ganz normal und völlig in Ordnung. Es liegt an uns als Therapeuten, sicher einzuschätzen, wann sie dabei die Grenzen unserer Tiere überschreiten und spätestens dann abzubrechen. Das kommt nicht oft vor, aber trotzdem sollte man sich überlegen, wie man dann mit der Situation umgeht.
Es ist ziemlich sinnvoll, das mit den Eltern im Vorfeld zu besprechen, denn die meisten reagieren wahrscheinlich irritiert, wenn die Einheiten ohne Tier weitergehen. Manchmal ist es aber nötig, um für die weitere Arbeit sichere Rahmenbedingungen zu schaffen. Eine Aufklärung der Eltern über eventuelle Änderungen im Ablauf und deren Verständnis dafür nehmen uns den Druck, in jedem Fall pferdegestützt zu arbeiten zu müssen.