... von Provokation und Konsequenzen
Wer hat es nicht schon am eigenen Leib erfahren –
provozierende Kinder.
Jeder Therapeut begegnet mindestens zehn davon in der
Woche, warum also dieser Blog? Weil mir neulich mal wieder klar wurde, wie
wichtig es gerade in der Therapie am Pferd ist, sich über Grenzen und vor allem
Konsequenzen klar zu sein.
Dass Kinder mich als Therapeutin, die durchaus auch
unpopuläre Forderungen stellt, durch Provokation ablenken wollen, ist kein
Problem, sondern vielmehr verständlich und nachvollziehbar. Und vor allem ist
es ungefährlich. Ich fange weder an zu beißen, noch zu treten, noch trampele
ich jemanden nieder. Ich kann mich meistens auch ganz gut wehren und verstehe
durchaus die Mechanismen, die hinter diesem Verhalten stehen.
Anders sieht die ganze Sache aus, wenn Kinder auf die lustige
Idee kommen, mich über das Pferd oder auch gern mal meinen Hund provozieren zu
wollen.
Zwei verschiedene Ereignisse möchte ich kurz beschreiben.
Wir putzen meine Stute, die an diesem Tag äußerst
kitzelig unter dem Bauch war und mit angelegten Ohren und bösen Blicken
reagierte. Ich erklärte dem Kind, dass sie heute wohl etwas schlechte Laune
hatte, und gab die Anweisung, sie unterm Bauch nicht zu putzen. Dummerweise
hatte das Kind wohl auch schlechte Laune und ich bemerkte, wie sie immer wieder
Richtung Bauch fuhr und mich dabei beobachtete. Pferd fands blöd und immer
blöder und ich sah mich gezwungen, zu
handeln. Ich beendete das Putzen, beziehungsweise übernahm die Bürste und
machte selbst mit der Aufgabe des Kindes weiter. Eine Reaktion, die mich nicht
wahnsinnig zufrieden stellte, aber mein erstes Ziel in diesem Falle war der
Schutz des Pferdes. Ich erwarte von ihr, freundlich zu den Kindern zu sein und
vorsichtig mit ihnen umzugehen. Ich weiß, dass es Tage gibt, an denen sie
empfindlicher ist, als an anderen und nutze das für die Therapie, um
Kindern die Grenzen eines anderen
Lebewesens aufzuzeigen. Das ist für mich eine recht kitzelige Situation, denn
ich muss aufpassen wie ein Luchs. Ich finde dieses Thema aber sehr wertvoll,
deshalb setze ich sie auch an solchen Tagen ein. Dann muss ich aber bereit
sein, mein Pferd zu schützen und sie nicht auflaufen lassen, indem ich zulasse,
dass das Kind sie ärgert und die Situation dahingehen eskaliert, dass sie
gemaßregelt werden muss für ein Verhalten, das durch einen Dritten bewußt
provoziert wurde.
Auch auf dem Pferd fangen manche Kinder gerne mal an,
ihre Grenzen zu testen. Da wird sich dann umgedreht, vorher hat es ja auch so
gut geklappt, oder die Hilfe zum antreten gegeben und so weiter. Hier muss
jeder Therapeut am besten im Vorhinein überlegen, wie er wann reagiert. Was ist
ein Abbruchkriterium? Wo kann ich das
Kind auch mal eine eigene Erfahrung machen lassen? Rutscht es von einem Shetty,
weil es unbedingt seitlich sitzen wollte, geht die Welt nicht unter. Rutscht es
von einem 1,60 großen Pferd, sieht die Sache schon ganz anders aus.
Das Schöne an der Arbeit mit Tieren ist, dass die
Konsequenz für das eigene Handeln sofort und völlig akzeptabel für die meisten
Kinder kommt, nur können wir das natürlich nicht immer zulassen, denn es wird
schnell gefährlich. Eine Situation, in der es ungefährlich war und eine wie aus
dem Lehrbuch, ist folgende:
Ein Kind erarbeitet sich in der Stunde Punkte und bekommt
dann am Ende, so es denn genügend gesammelt hat, eine Möhre. Diese Möhre hat
einen hohen Stellenwert, vor allem, weil der Bruder, der nur zuschaut, keine
bekommt. So. Das Kind nun hatte einen Spaß daran gefunden, meinen Hund mit
der Möhre zum Hochspringen zu animieren, was mir nicht gefiel und ich sagte
das auch. Mehrere Male, aber es kam doch immer wieder vor. Mit Seitenblick auf
mich versteht sich. Nun frißt der Hund auch Möhren... Man ahnt es schon. Ich
unterhalte mich mit der Mutter und plötzlich ein Riesenschrei, ich bekomme
einen Riesenschreck, ein Bild von fehlenden Kinderohren vor Augen, flitze hin
und sehe meinen unschuldig guckenden, kauenden Hund. Nicht am Ohr, sondern an
der Möhre.
Ach Gott, dachte ich, das wird das Drama des Tages, die
wertvolle Möhre geklaut. Allerdings hatte ich dem Kind ja schon gesagt, dass
Malou Möhren mag, und sie sich, wenn sie danach springen soll, bestimmt irgendwann
schnappen würde. Erstaunlicherweise konnte das Kind das so akzeptieren. Es
weinte zwar und war kreuzunglücklich, aber durch die vollkommene Klarheit der
Situation und die absolut natürliche Konsequenz, war es ihr möglich, den
Verlust hinzunehmen. In diesem Fall war die Erziehung durch das Tier äußerst
erfolgreich. Seitdem wurde nicht mehr gesprungen...
Kinder testen ihre Grenzen. Das ist ganz normal und
völlig in Ordnung. Es liegt an uns als Therapeuten, sicher einzuschätzen, wann
sie dabei die Grenzen unserer Tiere überschreiten und spätestens dann
abzubrechen. Das kommt nicht oft vor, aber trotzdem sollte man sich überlegen, wie
man dann mit der Situation umgeht.
Es ist ziemlich sinnvoll, das mit den Eltern im Vorfeld
zu besprechen, denn die meisten reagieren wahrscheinlich irritiert, wenn die
Einheiten ohne Tier weitergehen. Manchmal ist es aber nötig, um für die weitere
Arbeit sichere Rahmenbedingungen zu schaffen. Eine Aufklärung der Eltern über
eventuelle Änderungen im Ablauf und deren Verständnis dafür nehmen uns den
Druck, in jedem Fall pferdegestützt zu arbeiten zu müssen.