Wer sich mit dem
Gedanken trägt, ein Pferd oder einen Hund aufzunehmen, der wird sich
wahrscheinlich auch dafür interessieren, wie es sich am besten mit dem
Neuzugang leben lässt. Kein Problem, Literatur gibt es zuhauf! Über Verhalten, Psychologie
und Erziehung. Also, los gehts...
Schnell erfahren
wir, dass es bestimmte Dinge gibt, die der Hund, oder das Pferd tut, um uns zu
dominieren! Indem sie uns zu nah kommen, auf das Sofa springen, oder – und nun
halten Sie sich fest – indem wir sie mit Futter belohnen versuchen sie, die
Herrschaft zu übernehmen! Sehen Sie sich also vor!
Auch wenn ich
etwas übertreibe, viele Menschen beurteilen die Tier-Halter-Beziehung eben nach
solchen Allgemeinplätzen. Das geht so weit, dass mir eine Tierärztin (!) bescheinigte,
meine Hündin „dominiere mich“ (O-Ton), weil sie sich nicht auf ihre
wegrutschende Waage traute.
Nun gut, der
Beispiele gibt es viele, sie alle aufzuzählen wäre kaum sinnvoll, aber ich
hoffe, der Grundgedanke ist klar.
Vor allem im
Pferdebereich geistern viele Mythen von respektlosen, dominanten Pferden, die
uns Menschen die Vormachtstellung streitig machen wollen.
Damit man mich
nicht falsch versteht: Ein rempelndes unhöfliches Pferd kann gefährlich werden,
vor allem in der therapeutischen Arbeit. Dass ich meinen Pferden einen
höflichen Umgang beibringen möchte, steht außer Frage. Aber die Maßgabe dafür
sollten nicht irgenwelche Standarts aus einem der vielen Bücher sein, sondern
sich an meinem persönlichen Empfinden orientieren. Zur Veranschaulichung nun
doch noch ein kleines Beispiel: Eine meiner Reitschülerinne putzte ihr Pferd,
das seinen Kopf herumnahm und sie anstupste. Sie streichelte ihn und sagte: „
Oh, das hätte er jetzt nicht tun dürfen, oder?“ Auf meine Frage, ob es sie denn
störe, sagte sie, nein, sie fände es sogar ganz nett, aber das sei doch
respektlos...
Für mich stellt
sich die Frage, wie ich denn eine gute und tiefe Beziehung zu meinen Pferden
aufbauen soll, wenn ich sie mir in erster Linie vom Leib halten muss, um nicht
hoffnungslos im niedrigen Rang zu landen. Gerne wird dann zitiert, dass in der
Herde das rangniedrige Pferd niemals (!!) den Individualabstand des ranghöheren
unterschreiten würde. Käse!
Meine Stute beispielsweise, die es
hasst, vom Mücken gepiesackt zu werden, beginnt bei Spaziergängen irgendwann
damit, sich an mir scheuern zu wollen. Denn ES JUCKT GANZ FÜRCHTERLICH! Zu
Beginn tat sie das recht verzweifelt und dementsprechend rabiat. So ein
dominantes Tier! Durchbricht einfach meine Individualdistanz. Ts, ts, gleich
mal weichen lassen... Oder, halt, ich bin es ja, die sie in eine Situation
bringt, die für sie schwer zu ertragen ist. Als Führende ist es dann auch meine
Aufgabe, für ihr Wohlergehen zu sorgen, finde ich zumindest. Also haben wir uns
darauf geeinigt, dass man mich nicht halb zu Boden werfen muss um den Kopf zu
kratzen, sondern dass ein einigermaßen beherrschtes Bitten reicht und ich
verstehe, was sie will. Ich kratze dann im Gehen und ihr Kopf bleibt ganz ruhig
in bequemer Kratzhöhe.
Was ich damit
sagen will, ist dass es zu den wichtigsten Fähigkeiten eines Führenden – und
als den sehen wir Menschen uns im Umgang mit Tieren – gehört, hinzuhören und
zwar in uns selbst und in das Tier. Stört uns ein Verhalten wirklich, oder
finden wir es eigentlich ganz nett und versuchen nur es abzustellen, weil uns
jemand mal gesagt hat, es sei dominant? Im zweiten Fall kann man sich mit nur
wenig Fantasie vorstellen, wie authentisch wir bei der Durchsetzung sein werden
J
Der Maßstab
sollte immer unser eigenes Gefühl sein. Kann ich mein gieriges Pferd mit
leichten Gesten dazu bewegen, mir bitte nicht in die Tasche zu kriechen? Dann
ist alles ok, denn wer würde nicht versuchen an die Köstlichkeiten
heranzukommen, von denen er weiß, dass sie da sind. Ich sage nur Schokolade...
Muss ich mich allerdings mit aller Macht gegen das Pferd werfen, oder wird es
aggressiv, wenn es nichts mehr bekommt, spätestens dann ist der Zeitpunkt
gekommen, an unseren Umgangsformen zu arbeiten.
Wenn wir
aufmerksam für unser eigenes Empfinden und für die Schwingungen unserer
Beziehung sind, dann können wir ein authentisches Maß an Konsequenz entwickeln
und brauchen keine Angst vor Freundlichkeit und Vertraulichkeit zu haben.